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Heinrich Lange
Der Prunksarg des Kurfürsten Georg Wilhelm

Am 20. November 1999 wurde die im Zweiten Weltkrieg und in den ersten Nachkriegsjahren durch Zerstörung und Plünderung stark in Mitleidenschaft gezogene Hohenzollerngruft des Berliner Doms feierlich eröffnet. In der vor dem Krieg nur mit Sondererlaubnis zugänglichen Gruft der ehemaligen Hof- und Grabkirche sucht man unter den noch erhaltenen über 90 Särgen von Angehörigen der Hohenzollern-Dynastie den Sarg des zehnten regierenden Brandenburger Hohenzollern, des Kurfürsten Georg Wilhelm, vergeblich.
     Der am 13. November 1595 im Stadtschloß zu Cölln an der Spree geborene Vater des Großen Kurfürsten (1620-1688; Kurfürst ab 1640) starb am 1. Dezember 1640 fernab von seiner eigentlichen Residenzstadt Berlin auf »der Burg zu Königsberg«, wie es in der Sarginschrift heißt. Georg Wilhelm wollte zwar bei seinen väterlichen Vorfahren in Berlin beigesetzt werden, wo damals in den Grüften der 1536 zur Hof- und Domkirche erhobenen ehemaligen Dominikanerkirche auf dem Schloßplatz seine regierenden

Vorfahren über sechs Generationen ruhten, doch die Wirren des Dreißigjährigen Krieges ließen die Überführung des Leichnams nicht zu. Die Mark Brandenburg war zu einem Hauptschauplatz des Krieges geworden, und weite Teile des Landes waren von schwedischen Truppen besetzt worden. Georg Wilhelm hatte daran durch seinen Wechsel der Allianzen - von Schweden zum Kaiser - zu einem Teil selbst schuld.
     1637 hatte sich zudem der Gesundheitszustand des Kurfürsten merklich verschlechtert. Er »hatte sich 1620 bei einem Unfall eine nicht heilende Unterschenkelwunde zugezogen, die nach 1631 auch auf das andere Bein übergriff, so daß er sich häufig in einer Sänfte tragen lassen mußte.«1) Im August 1638 brach Georg Wilhelm mit dem gesamten Hofstaat nach Königsberg in das vom Krieg weitgehend verschonte Preußen auf, wohin ihm der noch auf Kavalierstour (Bildungsreise) in Holland weilende Kurprinz folgen mußte. In dem Bericht, den nach dem Ableben des Kurfürsten »der Leib-Barbier Sigißmundt Schulze über diese beschwerliche Reise« niederlegte, ist von einem »hiezigen Fieber« die Rede, von dem der Kurfürst befallen wurde«. Dieses hatte jedoch »Durch Gottes gnade bald nachgelassen, allein der Zustand des Kranken Schenkels S. Ch. D. hatt sich dabey wenig gebessert ..., wovon die gesunden partes nicht allein exulceriret, sondern die Oeconomia des Leibes Zerstöret.«2)
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»Wahrscheinlich handelte es sich«, so der Mediziner Hans-Joachim Neumann in seiner neuen Biographie über den Großen Kurfürsten, »um eine chronische Osteomyelitis.« Seit Oktober 1640 war der Kurfürst ständig ans Bett gebunden. »Abgesehen von seiner Beinerkrankung litt er an hochgradiger Wassersucht ... Mit 45 Jahren trat nach langer Krankheit am 1. Dezember 1640 neuen Kalenders (21. November 1640 alten Kalenders, Anm. des Verf.) der Tod ein ... Als Todesursache wurde einerseits Wassersucht angegeben ... Andererseits sprachen sich die sieben Königsberger Ärzte in ihrem Obduktionsbefund für Schlagfluß als Todesursache aus, für einen Schlaganfall also«.3)
     Sein zwanzigjähriger Sohn und Nachfolger, der 1641 einen Waffenstillstand mit den Schweden schloß, residierte bis Februar 1643 in Königsberg. Friedrich Wilhelm, auf dessen Prunksarg im Berliner Dom zu lesen ist, daß er das Reich »1640 voller Verwirrung empfangen hatte«, ist zwar »die gantze Zeit bedacht gewesen, die in Gott ruhende Kurfürstl. Leiche in die Chur Brandenburg in Dero Erb-Begräbnüß nacher Cöln an der Sprew zuführen«, doch hat »solches, wegen des immer continuirenden verderblichen und sehr unsichern Kriegswesens nicht füglich geschehen, und ins Werck gerichtet werden können«. So steht es geschrieben in der 1642 bei Johann Reußner in Königsberg gedruckten

Kurfürst Georg Wilhelm, Lithographie um 1840

und heute in Deutschland offenbar nur noch in der Universitätsbibliothek von Tübingen im Original erhaltenen Schrift »Leich-Procession Deß Durchlauchtigsten Hochgebornen Fürsten und Herren, Herren Georg Wilhelmen Marggraffen zu Brandenburg ...«.
     Der Kurfürst beschloß daher, seinen Vater »alhie zu Königsberg in Preussen, in das Fürstliche Begräbnüß, in der Thumb-Kirche im Kneiphofe«, also in der Fürstengruft des Königsberger Domes, beizusetzen.

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Dort lagen seine 1625 verstorbene Mutter Anna von Preußen und deren Eltern, die Herzogin Marie Eleonore von Jülich-Kleve-Berg (gest. 1608) und Herzog Albrecht Friedrich von Preußen (gest. 1618). Albrecht Friedrich war der Sohn Herzog Albrechts (gest. 1568), des Begründers des Herzogtums Preußen, das nach dem Tode seines kinderlosen und in geistige Umnachtung gefallenen Sohnes an Johann Sigismund (1572-1619, Kurfürst ab 1608), den Vater Georg Wilhelms, gefallen war. Durch Marie Eleonore, die Schwester des Herzogs Johann Wilhelm von Kleve, Jülich und Berg, der 1609 kinderlos starb, war Johann Sigismund bereits 1614 in den Besitz der rheinischen und westfälischen Territorien Kleve, Mark und Ravensberg gelangt. So war Georg Wilhelms Mutter, wie Andreas Nachama in seiner Biographie über den Großen Kurfürsten treffend anmerkt, »eine der erfolgreichsten Preußinnen«.4)
     Die Belehnung mit dem Herzogtum Preußen durch den polnischen König - sie war die Voraussetzung für die Huldigung durch die preußischen Stände - hatte für Friedrich Wilhelm »absolute Priorität.«5) Aber auch die längere Zeit in Anspruch nehmenden Vorbereitungen der aufwendigen Trauerfeierlichkeiten, nicht zuletzt die Verfertigung des mit reichen ornamentalen und figürlichen Schmuck versehenen zinnernen Prunksarges, waren der Grund dafür, daß die Überführung des einbalsamierten Leichnams
von der Schloßkirche in den Dom erst am 11.März 1642 stattfand. Ein Versehen ist freilich die Angabe Nachamas, der Kurfürst sei 1642 in der »Königsberger Schloßkirche« beigesetzt worden.6)
     Die Schrift über die Leichenprozession von 1642 enthält auch eine Beschreibung des Sarges, insbesondere des Wappenschmucks, und den genauen Wortlaut der lateinischen Inschrift. Es heißt, daß »der zierliche und prächtige Sarck von dem besten Englischen Zinn, der allenthalben mit schöner erhabenen Arbeit, Figuren, und Laubwercks mit grossem Fleiß gemachet, und schön vergüldet« sei. »Darauff oben auff der Decke zum Haubte ein Churhutt, in der mitten der Chur-Scepter, zu den Füssen ein Kind auff einem TodtenKopffe, und auff den Seiten 8. Adler, auch von klarem Zinn gegossen, stunden.« Zum Zinnsarg bemerkt dann 1726 Kirchenvorsteher Melchior Lübeck in seinem Anhang zu der zehn Jahre zuvor gedruckten Schrift des Diakons Michael Lilienthal mit dem Titel »Historische Beschreibung des Thums ... der Stadt Kneiphoff-Königsberg«: »Als auff Befehl der hohen Königl. Regierung Anno 1726. den 17. Oktobr. in der Kneiphöffschen Thum-Kirche hinter dem Altar gantz am Ende nach Osten, in dem so genannten hintersten Chor, die Fürstliche Begräbnisse eröffnet wurden, fanden sich unterschiedliche schöne und kostbare Särger ... In der Mitte des Gewölbes stehen zwey zinnerne Särger neben einander.
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Prunksarg des Kurfürsten Georg Wilhelm im Dom zu Königsberg, Foto um 1935
Das eine nach Süden ist sehr groß, und mit dem daraufliegenden Chur-Hut, Scepter, herumbstehenden Adlern ... gezieret.«7)
     Den mit der Schrift von 1642 im Wortlaut weitestgehend übereinstimmenden Bericht »Des churfürstl. George Wilhelmen leichprocession Anno 1642« sowie korrigierte Entwürfe der Sarginschrift und farbige Vorlagen für die bei der Leichenprozession mitgeführten Wappen enthalten die »Acta betreff des Begräbniß des Kurfürsten Georg Wilhelm« im Geheimen Staatsarchiv Berlin.8) Nach Lübeck zitieren die Sarginschrift
Ernst August Hagen und Richard Dethlefsen in ihren Werken über den Königsberger Dom von 18339) bzw. 1912.10) Die wichtigste Quelle für das Aussehen des Sarges stellt aber der Beitrag »Der Prunksarg des Kurfürsten Georg Wilhelm im Dom zu Königsberg« von Ernst v. der Oelsnitz aus dem Jahre 1935 dar.11) Hier findet sich die einzige Fotografie von dem Sarg, die Eduard Anderson, der Direktor des Stadtgeschichtlichen Museums, zur Verfügung stellte. Hingegen gehört das in dem Werk von Dethlefsen, dem Provinzialkonservator der Kunst- und geschichtlichen Denkmäler in der Provinz Ostpreußen
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und Dombaumeister, erwähnte Bilddokument vom Sarg im Königlichen Kupferstichkabinett zu Königsberg - »Gezeichnet in Bleistift und Sepia von Kreutzberger 1843«12) - zu den Kriegsverlusten.
     Nach der Schwarzweißaufnahme und der Beschreibung v. der Oelsnitz' fertigte der erst 1948 als 17jähriger aus Königsberg herausgekommene Horst Dühring, Gymnasiallehrer für Kunst und Musik a. D., ein Modell im Maßstab ca. 1 : 5, das auch eine Vorstellung von der einstigen Farbfassung des Sarges vermittelt (siehe Titelbild). Der Künstler wurde vor einigen Jahren für seine Modelle der Stadt Königsberg mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet und ist inzwischen vielen Berlinern insbesondere durch sein Modell des 1950 gesprengten Stadtschlosses bekannt.
     Der rechteckige Sarg mit konischem Deckel ruht an den Ecken auf einem und an den Seiten auf je zwei weiteren liegenden Löwenfiguren mit paarweise einander zugewandten Köpfen. Die Schmal- und Langseiten des Sargkastens gliedern je eine bzw. drei Arkadenstellungen mit breiten Pilastern und halbrunden Bögen. Den Pilastern sind unten zwölf Konsolen mit geflügelten Engelsköpfen vorgelegt. Sie gehen nach oben in abwechselnd männliche und weibliche Hermen über, denen an den Langseiten acht weitere, von Masken getragene Konsolen aufgesetzt sind, die bereits am Sargdeckel sitzen und je einen Adler tragen.
Die Adler mit gleich den Löwen paarweise einander zugewandten Köpfen breiten schützend ihre Schwingen aus. Die acht Bogenfelder der mit Fruchtstücken, Ranken usw. verzierten Arkaden schmücken je drei ovale, von Rollwerk umrahmte Wappenschilde. Die Wappen sind nach Autopsie v. der Oelsnitz' »unschön gezeichnet, besonders die Tiere, und zum Teil auch nicht richtig« sowie »ohne daß dabei die Rangordnung genau beobachtet worden ist«. Doch lassen sie sich »als die einzelnen Felder erkennen, aus welchen das große kurfürstliche Wappen zu jener Zeit in der Regel zusammengesetzt war.«13) Die Reihe beginnt am Kopfende mit den Wappen der Kurwürde, von Brandenburg und von Preußen und umfaßt insgesamt 24 Wappen: Jülich, Kleve, Berg, Stettin, Pommern, Kassuben, Wenden, Schlesien, Crossen, Jägerndorf, Nürnberg, Rügen, Gützkow, Usedom, Wolgast, Barth, Mark, Ravensberg, Ruppin, Zollern und die Blutfahne. Das preußische Wappen zeigt in silbernem Feld einen schwarzen, halsgekrönten Adler, auf der Brust die verschlungenen Buchstaben »V« und »G«. Es sind der Namensbuchstabe des polnischen Königs Wladislaw IV., unter dessen Lehnshoheit das Herzogtum Preußen, mit dem Georg Wilhelm 1621 förmlich belehnt wurde, stand, und der Namensbuchstabe des Kurfürsten Georg Wilhelm.14)
     Den Deckel umläuft unten und seitlich ein Rahmen mit Blattranken und Puttenköpfen.
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Im Feld der Stirn- und Fußseite sitzt je ein Löwenkopf mit ringförmigem Tragegriff aus Messing. An den abgeschrägten Seiten des Deckels befinden sich je drei ovale Inschriftenkartuschen. Auf der waagerechten Deckplatte liegen am Kopfteil der Kurhut, in der Mitte der Kurzepter und am Fußende ein kleiner Knabe auf einem Totenkopf. Die Attribute waren zum Teil vergoldet und farbig gefaßt. Eine Lithographie von 1840 zeigt das Porträt des Kurfürsten in der Kurtracht: Hermelinmantel mit Kragen und Kurhut (roter Seidensamt mit weißer Hermelinkrempe). »Der früher in der Mitte befindliche Kurszepter« sei, so v. der Oelsnitz, »abhanden gekommen. An seiner Stelle ist bei der letzten Ausbesserung des Sarges der im Innern gefundene Kommandostab des Kurfürsten ... befestigt worden«. Der Kommandostab ist »von geschwärztem Holz mit goldenen Zwingen, welche durch bunte Ranken in Schmelzwerk verziert sind. Auf der oberen Stirnseite ist eingegraben GWC, verschlungen, auf der unteren >G.W.M.Z.B.V.C.I.P.G.CVBH (Georg Wilhelm, Markgraf zu Brandenburg und Churfürst, in Preußen, Gülich, Cleve und Berg Herzog) 1626.<«15)
     Die in Großbuchstaben gestochene Inschrift auf dem Sargdeckel, die über Namen,
Gedächtnismünze mit Büste des Kurfürsten von 1642 (Maßstab ca. 2 : 1)
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   10   Probleme/Projekte/Prozesse Der verlorene Prunksarg  Voriges BlattNächstes Blatt
Titel, Lebensweg und Tod des Kurfürsten berichtet, sei hier in der bisher einzigen deutschen Übersetzung v. der Oelsnitz' zitiert:
     »Der Durchlauchtigste, großmächtige Fürst und Herr, Herr Georg Wilhelm, Markgraf zu Brandenburg, des Heiligen Römischen Reiches Erzkämmerer und Kurfürst, in Preußen, zu Jülich, Cleve, Berg, Stettin, Pommern, auch in Schlesien zu Crossen Herzog, Burggraf zu Nürnberg, Fürst zu Rügen, Graf der Mark und zu Ravensburg (sic!), Herr zu Ravenstein usw.
     Am 3. November 1595 alten Stils wurde er zu Cöln an der Spree zwischen 3 und 4 Uhr A. geboren. Sein Vater war Johann Sigismund, damals Markgraf und inderfolge Kurfürst zu Brandenburg, seine Mutter Anna, Tochter Markgraf Albrecht Friedrichs zu Brandenburg, 2. Herzogs in Preußen, und der Marie Eleonore, Tochter des Herzogs von Jülich, Cleve und Berg.
     Den eines Fürsten würdigen Studien widmete er seine jungen Jahre, zunächst am Hofe des Vaters und Großvaters, dann auf der Hochschule in Frankfurt (a. d. Oder, 1611; Anm. des Verf.). 1612 wohnte er der Wahl des Römischen Kaisers Matthias bei. Im nächstfolgenden Jahre übernahm er für seinen Vater die Regierung der Jülichschen Herzogtümer, durch deren umfangreiche Erbschaft seine Mutter den Besitz des Hauses Brandenburg vermehrt hatte.
     Am 14. Juli 1616 alten Stils vermählte er sich zu Heidelberg mit Elisabeth Charlotte, Tochter des Kurfürsten Friedrich IV.,
Pfalzgrafen am Rhein, und der Prinzessin Luise Juliane von Oranien. Eine Heldin durch Gottgläubigkeit, unter den Ersten in Wohltun und Mitgefühl gegen Gebeugte, ist sie jetzt eine tieftrauernde Witwe.
     Mit ihr erzeugte er Söhne, nämlich Friedrich Wilhelm, den Nachfolger, welchem durch Gottes Gnade beschieden sein möge, lange und mit aller Glückseligkeit überhäuft zu herrschen, und Johann Sigismund, welcher schon im dritten Monat nach der Geburt dieser Zeitlichkeit entrückt wurde, Töchter aber Ludovike Charlotte und Hedwig Sophie.
     1619 folgte er dem Vater in der Kurwürde; als Herzog in Preußen wurde er 1621 belehnt.
     Während der ganzen sturmbewegten Zeit seiner Regierung hat er durch Seelenstärke - welche er treu seinem Wahlspruch durch nichts erschüttern ließ -, durch besondere Klugheit, bewundernswertes Geschick und unglaubliche Mäßigung für die Sicherheit der Untertanen gewirkt, soweit es die schicksalsschweren, rechtlosen Zeiten zuließen. Preußen hat er jedenfalls den Frieden verschafft, dessen es sich lange erfreut.
     Auf der Burg zu Königsberg hat er am 20. November 1640 (21., Anm. des Verf.) alt. Stils zwischen 6 und 7 Uhr A. von unheilbarer Krankheit zermürbt, zwischen Seufzern, innigen Gebeten zu Gott und dem Erhalter Jesus Christus und wiederholt abgelegtem Bekenntnis seines Glaubens, die Seele dem Himmel zurückgegeben, nachdem er 45 Jahre 18 Tage und 3 Stunden gelebt hatte.
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   11   Probleme/Projekte/Prozesse Der verlorene Prunksarg  Voriges BlattNächstes Blatt
Ein Fürst fromm, gerecht, milde und die Seinen liebend.«16)
     Während in den Archivalien des Geheimen Staatsarchivs der den Sarg verfertigende »Kannengießer«, wie die Zinngießer damals bezeichnet wurden, nicht namentlich genannt ist, heißt es in der Schrift von 1642: »Bedachter Sarck ist erstlich bey dem Kannengiesser Christoff Grünbergen von viel Tausent Menschen mit verwunderung gesehen, und hernach ins kleine Zeughauß zu Schloß gesetzet, und vollends angefertiget«. Hier erfahren wir auch, daß er anderntags »in die Schloß-Kirche getragen, und in denselben die Churfürstliche Leiche im höltzern mit Sammet beschlagenem Sarge ... eingesetzet« wurde. »Weil aber der Sarck zimlich schwer« und der Weg der Leichenprozession zum Dom, an dem auch die Witwe und der Sohn teilnahmen, »fast weit« war, wurde der Prunksarg zuerst von 24 vornehmen Adligen auf einer Bahre »auß der Kirchen auff den Schultern biß auff den Schloßplatz getragen«, dann »auff einem dazu expressé gefertigten Wagen«, der von acht Pferden gezogen wurde, transportiert. Zum Gedächtnis an Georg Wilhelm ist auch »eine sonderliche newe Müntze« geprägt worden. Auf dem Avers befindet sich des Kurfürsten »Brustbildt, mit dem gantzen Churfürstlichen Brandenburgischen Tittul in zweyen Ringen herumb, unter der Brust aber das Symbolum: A coeur vaillant rien impossible«, d. h. »Einem tapferen Herz ist nichts unmöglich«.
Auf dem Revers sind »Sr. Durchl. GeburtsTag, die Zeit Dero Regierung und Ablebens, und rund herumb alle Churfürstl. Brandenburg. Wapen« vermerkt bzw. abgebildet. Desgleichen kleinere und einfachere Gedenkmünzen wurden »auch off beiden seiten hinter der Leiche off den Schloßplatz, und durch alle drey Städte biß an die Kirche außgeworffen«.
     Der renaissancezeitliche Prunksarg war, so die Würdigung v. der Oelsnitz', »sowohl künstlerisch, als auch technisch ein Meisterwerk ersten Ranges ... Er gibt ein glänzendes Zeugnis von dem Können des Meisters und von dem hohen Stande seines Gewerbes in Königsberg zu jener Zeit: eine späte Blüte der Kunstpflege am Hofe der Herzoge Albrecht und Georg Friedrich.«17) Grünberg ist als Verfertiger zweier weiterer Zinnsärge bezeugt. Ein »anspruchsloseres Werk«18) des Meisters soll der Sarg des 1640 als Statthalter im Herzogtum Kleve verstorbenen und nach Preußen überführten und ebenfalls 1642 - nur einen Tag nach Georg Wilhelm - im Königsberger Dom beigesetzten Markgrafen Sigismund, des Sohnes Johann Georgs (1525-1598, Kurfürst ab 1571), also des Großoheims von Georg Wilhelm, gewesen sein. In A. Boldts Beitrag von 1884 über »Das Begräbniss des Grafen Franziskus Bernhard von Thurn in der St. Nikolaikirche zu Elbing am 11. Mai 1629« heißt es, daß den zinnernen Sarg dieses 1628 jung verstorbenen
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   12   Probleme/Projekte/Prozesse Der verlorene Prunksarg  Voriges BlattNächstes Blatt
schwedischen Generalmajors »Christoph Gruneberg in Königsberg für 200 Thaler verfertigt hatte. Es waren an demselben allerlei Armaturen von Zinn und zehn messingne Ringe, die in Löwenköpfen steckten, angebracht ... Trotzdem hat der Propst Melchior, gest. 1757, den ganzen Sarg eingeschmolzen und Altarleuchter daraus fertigen lassen.«19)
     Der Zinnsarg des Kurfürsten Georg Wilhelm von 1641/42 zeigt meines Erachtens nach Typ und Stil die bis dahin und darüber hinaus entwickeltste Form und den reichsten figürlichen Schmuck. Die noch heute in der Hohenzollerngruft des Berliner Doms erhaltenen Zinnsärge seines Vaters, Großvaters und Urgroßvaters sind von bescheidenerem Äußeren und stehen wie selbst noch der mit aufwendigerem Schmuck versehene Sarg seiner 1660 verstorbenen Gemahlin Elisabeth Charlotte von der Pfalz flach auf dem Boden. Am ähnlichsten in Aufbau und Schmuck ist der sich gleichfalls in der Hohenzollerngruft befindende Prunksarg der Schwester seiner Gemahlin, Catharina Sophia von der Pfalz (gest. 1665). Der Sargkasten ruht auf Löwenfiguren und ist ähnlich durch halbnackte weibliche Figuren gegliedert. Anders verhält es sich bei den barocken Särgen von Georg Wilhelms Sohn, dem Großen Kurfürsten (gest. 1688), und dessen zweiter Gemahlin Dorothea von Holstein-Glücksburg (gest. 1689).
Beide vergoldeten Prunksarkophage unter der östlichen Empore der Predigtkirche des Berliner Doms schuf der zuvor in Königsberg tätige Hofbildhauer Johann Michael Döbel nach einem Entwurf des Architekten Johann Arnold Nering.
     Der Sarg Georg Wilhelms sollte, wie Dombaumeister Rüdiger Hoth im derzeitigen Führer zur Hohenzollerngruft des Berliner Doms berichtet, Ende des 19. Jahrhunderts von Königsberg nach Berlin überführt werden: »Am 24. Oktober 1901 erinnert der Hausminister den Dombaumeister (Julius Carl Raschdorff, Anm. des Verf.), daß einer Entscheidung vom 5. September 1894 zufolge der in der südlichen Gruft der Dom- und Kathedral- Kirche zu Königsberg/ Pr. befindliche Prunksarg, welcher die Reste des Kurfürsten Georg Wilhelm von Brandenburg enthält, hierher überführt und nach erfolgter Instandsetzung in der Fürstengruft des neuen Domes aufgestellt werden soll ... Am 8. August (1905 - am 27. Februar 1905 hatte die Einweihung des neuen Domes stattgefunden, Anm. des Verf.) wird die Königliche Dom-Bau- Verwaltung ersucht, den Sarkophag des Kurfürsten Georg Wilhelm unter Beachtung aller Vorsichtsmaßregeln von Königsberg nach Berlin zu schaffen und zunächst in der Domgruft aufzustellen. Vertreter der Fa. Martin & Piltzing werden deshalb beauftragt, den Sarg hinsichtlich der Überführung zu besichtigen. Im Bericht vom 4. Oktober wird u. a. festgestellt, daß der Sarg reich verziert
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   13   Probleme/Projekte/Prozesse Der verlorene Prunksarg  Voriges BlattNächstes Blatt

Der Dom zu Königsberg im Jahre 1991

und auch noch verhältnismäßig gut erhalten ist. Auf diesen Bericht hin wird man von der Königlichen Dom-Bau- Kommission, Herrn von Wedel, benachrichtigt, daß seine Majestät der Kaiser und König zu bestimmen geruht haben, daß der Sarkophag des Kurfürsten Georg Wilhelm in Königsberg verbleiben soll.«20)
     Als 1933 anläßlich der 600- Jahrfeier des Königsberger Doms vom Reichspräsidenten
ein namhafter Betrag für Wiederherstellungsarbeiten bewilligt und mit dessen Hilfe auch eine Erneuerung der Grüfte des Chores unternommen wurde, hat man den Zinnsarg aus der Gruft geholt und »behufs künftiger besserer Erhaltung im östlichen Teile des Domes über der Erde aufgestellt.« Dort konnte er, so v. der Oelsnitz weiter, »von den Besuchern des Gotteshauses jetzt jederzeit besichtigt werden, nachdem eine, allerdings
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in recht bescheidenen Grenzen gehaltene Ausbesserung des durch die Bodenfeuchtigkeit nicht unerheblich beschädigten Kunstwerkes stattgefunden hat.«21) Zu diesem Zeitpunkt scheint der hölzerne Innensarg mit den Gebeinen des Kurfürsten entnommen worden und in der Gruft verblieben zu sein. Leere Prunksärge waren damals schon die des Großen Kurfürsten und des ersten preußischen Königs und ihrer Gemahlinnen im Berliner Dom. Nach dem Abbruch des Boumann- Schinkelschen Domes 1893 waren die Innensärge mit den sterblichen Überresten in neugeschaffene Marmorsarkophage in der Gruft umgebettet und die Prunksärge - wie schon zuvor - oberirdisch, und zwar in der Denkmalskirche, aufgestellt worden.22)
     Doch während die vier barocken Prunksärge 1944 wegen der sich häufenden Luftangriffe auf Berlin in die Gruft verbracht wurden, verblieb der Prunksarg Georg Wilhelms bis zum Kriegsende im Hohen Chor des Königsberger Doms. Zum Schicksal des letzteren bemerkt Hoth im Domführer von 1998 nur kurz: »Der Sarg ... wird aber infolge der Zerstörungen des zweiten Weltkrieges nun wohl nicht mehr auffindbar sein.«23) Horst Dühring weiß jedoch noch Genaueres zu berichten. War der Sarg bei dem durch einen Bombentreffer vom 29./30. August 1944 verursachten Feuer im Dom noch unversehrt geblieben, überstand er die Demolierungen und Plünderungen des Doms und der Fürstengruft nach der Eroberung der Stadt durch die Sowjets im April 1945 nur schwer beschädigt.
Doch noch 1947 stand der Sarg an seinem letzten Aufstellungsort im Dom. Die Verzierungen waren zum größten Teil heruntergeschlagen, und der Deckel wies ein großes Loch auf. Offensichtlich hatte man auf diese Weise hineingeschaut und festgestellt, daß der Sarg leer war.
     Heute ist der Königsberger Dom aller ehemaligen sakralen und sepulkralen Ausstattung beraubt. Die Grüfte scheinen verschüttet und planiert. Während der kurfürstliche Prunksarg mit Sicherheit verloren ist, muß die Frage, ob der Innensarg mit den Gebeinen bzw. die sterblichen Überreste des Kurfürsten in den Gruftgewölben noch vorhanden ist, einstweilen noch offenbleiben.

Quellen und Anmerkungen:
1Hans-Joachim Neumann, Friedrich Wilhelm der Große Kurfürst. Der Sieger von Fehrbellin, Berlin 1995, S. 38
2Ebenda
3Ebenda, S. 38 f. und 42
4Andreas Nachama, Der Große Kurfürst, Berlin 1989, S. 18
5Ebenda, S. 29
6Ebenda
7Michael Lilienthal, Historische Beschreibung des Thums oder der Cathedral-Kirchen der Stadt Kneiphoff- Königsberg, Königsberg 1716, o. S.

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8Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin: Brandenburg Preußisches Hausarchiv, Acta Rep. 34 K 10
9Ernst August Hagen, Beschreibung der Domkirche zu Königsberg und der in ihr enthaltenen Kunstwerke, in: August Rudolph Gebser und Ernst August Hagen, Der Dom zu Königsberg in Preußen. Eine kirchen- und kunstgeschichtliche Schilderung. Zweite Abtheilung, Königsberg 1833, S. 274 Nr. 99
10Richard Dethlefsen, Die Domkirche in Königsberg i. Pr. nach ihrer jüngsten Wiederherstellung, Berlin 1912, S. 75 f.
11Ernst v. der Oelsnitz, Der Prunksarg des Kurfürsten Georg Wilhelm im Dom zu Königsberg, in: Altpreußische Geschlechterkunde 9, 1935 (Nachdruck Bd. 3, 1935-1938, Hamburg 1987), S. 55-58 mit 1 Bildtafel
12Richard Dethlefsen, a. a. O., S. 99
13Ernst v. der Oelsnitz, a. a. O., S. 56
14Ebenda, S. 56 mit Anm. 7
15Ernst v. der Oelsnitz, a. a. a., S. 56
16Ebenda, S. 57 f.
17Ebenda, S. 55
18Ebenda, S. 55 Anm. 2. - Vgl. auch Richard Dethlefsen, a. a. O., S. 75
19A. Boldt, Das Begräbniss des Grafen Franziskus Bernhard von Thurn in der St. Nikolaikirche zu Elbing am 11. Mai 1629, in: Altpreußische Monatsschrift 21, 1884, S. 678 f. - Vgl. auch Ernst v. der Oelsnitz, a. a. O., S. 55 Anm. 2
20Richard Dethlefsen, a. a. O., S. 59 f. Abb. 70. - Ernst August Hagen, a. a. O., S. 232 und 370
21Rüdiger Hoth, Die Gruft der Hohenzollern im Dom zu Berlin, 2. Auflage, Berlin 1995, S. 13 f.
22Ernst v. der Oelsnitz, a. a. O., S. 55
23Rüdiger Hoth, Der Berliner Dom. Geschichte und Gegenwart, 7. Auflage, München-Berlin 1998, S. 47

Bildquellen:
Repro des Sarg-Fotos vgl. Anm. 11
Originaldruck der Lithographie: Archiv des Verfassers
Abbildung der Münze nach Mikrofilm der Universitätsbibliothek Tübingen von: »Leich-Procession...«, Königsberg 1642, o. S.
Aufnahme des Doms: Heinrich Lange und Alexander von Normann, Auf der Suche nach dem alten Königsberg (Pr.), Würzburg 1992, Abb. S. 41

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